Psychedelische Volksbildung und Kultur: Ein Gespräch mit Nils Grotewohlt über die Psychedelic Society Hamburg

Die Diskussion über Psychedelika wird immer präsenter, vor allem in der modernen Gesundheits- und Therapiewelt. Aber trotz wachsender Anerkennung und Interesse sind diese Substanzen immer noch mit vielen Missverständnissen und Vorurteilen behaftet – und das vor allem außerhalb der „psychedelischen Blase“.

Einer der Akteure, der dabei eine bedeutende Rolle spielt, ist die Psychedelic Society Hamburg (PSHH). In einem spannenden Gespräch mit Nils Grotewohlt, einem der Mitbegründer und Vorstandsmitglieder der PSHH, habe ich darüber gesprochen, wie die Gesellschaft aufklärt, was es mit Microdosing auf sich hat, und wie das therapeutische Potenzial von Psychedelika immer stärker in den Fokus rückt.

Das Interview zu diesem Beitrag kannst Du Dir hier anhören:

Nils Grotewohlt: Vom Finanzexperten zum Vorstand der Psychedelic Society Hamburg

Nils Grotewohlt ist ein erfahrener Finanzexperte, der ursprünglich in der Bankenwelt zu Hause war. Nach seiner Ausbildung bei Deutsche Bank und UniCredit sammelte er umfangreiche Erfahrungen im Finanzwesen. Doch seine Reise ging weit über die Welt der Zahlen hinaus.

Nils Grotewolth von der Psycehdelic Society Hamburg bei Human Rockstars im Der Microdosing Podcast im Gespräch

Seit 2020 sind Timo Riemann (Links auf dem Bild) und Nils Grotewohlt (Rechts auf dem Bild) Vorstandsmitglied der Psychedelic Society Hamburg (PSHH), einer gemeinnützigen Organisation, die sich auf Volksaufklärung und den sicheren Umgang mit Psychedelika konzentriert [1.].

Nils’ Weg in die psychedelische Welt begann jedoch nicht im Bankensystem, sondern in einer persönlichen Krise. Trotz einer scheinbar perfekten äußeren Lebenssituation – eine Wohnung in einer guten Lage in München, stabile Beziehungen und beruflicher Erfolg – spürte er eine tiefe innere Leere.

„Von außen war alles perfekt, aber innerlich war ich nicht zufrieden. Irgendetwas fehlte“, erzählt er. Diese Unzufriedenheit und die ständigen Fragen nach dem Sinn des Lebens wuchsen, bis er sich entschloss, eine Auszeit zu nehmen und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Er reiste durch Südamerika, Europa, Asien und Australien, um herauszufinden, was ihm wirklich wichtig war und um sich selbst besser kennenzulernen. In dieser Zeit kam er mit Psychedelika in Kontakt, die er zu Beginn freizeitmäßig ausprobierte.

Doch es war erst als er diese Substanzen im therapeutischen Kontext erlebte, dass er das wahre Potenzial von Psychedelika erkannte. Besonders Ayahuasca-Zeremonien im bolivianischen Dschungel öffneten ihm die Tür zu tiefgreifenden Einblicken und Veränderungen.

„Ich bin direkt mit einer intensiven psychedelischen Erfahrung eingestiegen – das war sicherlich nicht der gängige Einstieg. Aber es war diese Erfahrung, die mich verändert hat“, erklärt Nils. Diese Erlebnisse hatten für ihn eine heilende Wirkung und motivierten ihn, sich für die Aufklärung über Psychedelika einzusetzen und den Stigmatisierungen entgegenzutreten, die diese Substanzen immer noch begleiten.

Die Rolle der Psychedelic Society Hamburg (PSHH)

Die Psychedelic Society Hamburg (PSHH) verfolgt eine klare Vision: Psychedelika sollen wieder der Menschheit zugänglich gemacht werden, nicht nur in therapeutischen, sondern auch in persönlichen Entwicklungskontexten.

Psychedelic Society Hamburg Logo bei Human Rockstars und Der Microdosing Podcast

Nils erklärt, dass die Gesellschaft vor allem eines im Blick hat: Volksbildung. Es geht darum, der breiten Gesellschaft aufzuzeigen, wie viel Potenzial in Psychedelika steckt – sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft insgesamt. Ein zentraler Aspekt der Arbeit der PSHH ist, den sicheren Umgang mit diesen Substanzen zu fördern und so dazu beizutragen, dass diese nicht länger stigmatisiert, sondern als wertvolle Werkzeuge für persönliches Wachstum und Heilung erkannt werden.

Kölnschnack der Psychedelic Society Hamburg

„Es geht uns besonders darum, Räume zu schaffen, in denen Menschen offen und ohne Angst vor Vorurteilen über Psychedelika sprechen können“, sagt Nils. Diese Räume ermöglichen den Austausch von Erfahrungen und das Lernen voneinander – etwas, das besonders wichtig ist, da die Psychedelika-Community noch immer mit vielen Missverständnissen und Stigmatisierungen zu kämpfen hat. Ein wichtiges Event der PSHH ist der Klönschnack: ein informelles Treffen, bei dem Mitglieder und Interessierte ihre persönlichen Erfahrungen in entspannter Atmosphäre teilen können. Es geht dabei nicht nur um das Teilen von Erlebnissen, sondern auch um den Aufbau von gemeinschaftlicher Unterstützung und Vertrauen.

Neben dem Klönschnack bietet die Psychedelic Society Hamburg auch Integrationsevents an. Hier geht es darum, psychedelische Erfahrungen in den Alltag zu integrieren und den Menschen zu helfen, das Gelernte sinnvoll anzuwenden. Die PSHH setzt dabei auf den Austausch mit Fachleuten, die den Teilnehmern dabei helfen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten.

Und es ist wichtig zu erwähnen: Die PSHH ist Teil eines weltweit wachsenden Netzwerks von Psychedelic Societies. Diese gibt es nicht nur in Hamburg, sondern auch in vielen anderen Städten weltweit. Diese globalen Verbindungen sind entscheidend, um den Austausch von Erfahrungen und Wissen zu fördern und die gemeinsame Mission voranzutreiben: Psychedelika als positive Werkzeuge für mentale Gesundheit und persönliche Entwicklung zu etablieren.

Microdosing als therapeutisches Werkzeug: Nils Erfahrungsbericht

Auch Nils hatte das Glück, Microdosing als Werkzeug zu nutzen. Er erzählt, wie er Microdosing für sich selbst entdeckte und wie es ihm half, seine negativen Gedankenmuster zu durchbrechen, mehr emotionale Klarheit zu gewinnen und seine Lebenssituation neu zu strukturieren. In seiner persönlichen Erfahrung hatte Microdosing über einen Zeitraum von mehreren Monaten einen spürbaren, nachhaltigen Effekt.

„Ich habe es als Werkzeug genutzt, aber nicht als Allheilmittel. Es war nur ein Teil eines umfassenden Heilungsprozesses. Ergänzt durch Yoga, Meditation und eine gesündere Lebensweise, hat es wirklich mein Leben verändert“, erklärt Nils.

Microdosing ist also nicht die Lösung für alles, aber es kann ein starker Hebel in einem Prozess der persönlichen Veränderung und Selbstheilung sein.

Hier erfährst Du mehr zum Thema Microdosing: Erfolgreiche Microdosing-Techniken: Ein Leitfaden für Anfänger

 

Die therapeutische Anwendung von Psychedelika – Potenzial und Risiken

Der Bereich der therapeutischen Anwendung von Psychedelika ist nach wie vor ein umstrittenes Thema, das aber zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nils betont, dass es wichtig ist, Psychedelika nicht als Wundermittel zu betrachten, sondern als ein Werkzeug, das im richtigen Kontext und mit der richtigen Unterstützung verwendet werden sollte.

Studien und Erfahrungsberichte aus der ganzen Welt zeigen, dass Psychedelika bei der Behandlung von Depressionen, Angststörungen, PTBS und anderen psychischen Erkrankungen tatsächlich helfen können. Nils beschreibt, wie er selbst in einem therapeutischen Kontext mit Psilocybin und anderen Substanzen gearbeitet hat und welche positiven Effekte dies auf seine mentale Gesundheit hatte.

Es wird jedoch auch auf die Risiken hingewiesen, insbesondere auf die Bedeutung von Set und Setting (also der mentalen Einstellung und der Umgebung, in der die Substanzen konsumiert werden), um negative Erfahrungen zu vermeiden. Nils betont, dass psychedelische Erfahrungen immer auch richtig integriert werden müssen, um langfristig positive Veränderungen zu erzielen.

Psychedelika vs. Alkohol – Ein gesellschaftlicher Vergleich

Ein besonders interessanter Punkt in unserem Gespräch war der Vergleich zwischen Psychedelika und Alkohol. In unserer Gesellschaften ist Alkohol eine gesellschaftlich akzeptierte Substanz, die jedoch nachweislich erhebliche gesundheitliche und gesellschaftliche Schäden verursacht. Laut dem Bundesgesundheitsministerium führt Alkoholkonsum zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten in Höhe von „rund 57 Milliarden Euro pro Jahr“ [2.] . Diese Kosten umfassen sowohl direkte medizinische Kosten als auch indirekte Kosten durch Produktivitätsverluste, vorzeitige Verrentung und Sterblichkeit.

Und doch ist Alkohol sozial akzeptiert, während der Konsum von Psychedelika oft noch mit Vorurteilen und Stigmatisierung verbunden ist. Eine Studie von David Nutt, einem führenden Forscher auf dem Gebiet, zeigt, dass Psychedelika, wie LSD oder Psilocybin, im Vergleich zu Alkohol und anderen Drogen deutlich weniger schädlich sind [3.].

Davit Nutt Tabelle der Substanzen und welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft und auf die einzelne Person haben.
Quelle: Nutt, D., King, L. A. und Phillips, L. D. (2010). Development of a rational scale to assess the harms of drugs of potential misuse. The Lancet.

In vielen Kulturen – von Südamerika bis zu den indigenen Völkern Nordamerikas – werden Psychedelika seit Jahrhunderten in spirituellen und therapeutischen Kontexten genutzt. Diese traditionellen Anwendungen haben sich als heilend und transformierend erwiesen. In der modernen Gesellschaft könnte es hilfreich sein, von diesen alten Praktiken zu lernen und Psychedelika verantwortungsbewusst als Teil einer breiteren Diskussion über mentale Gesundheit und spirituelle Entwicklung zu integrieren.

Weitere Empfohlene Folgen:

 Wenn du mehr über die Anwendung von Microdosing und das therapeutische Potenzial von Psychedelika erfahren möchtest, dann solltest du unbedingt die folgenden Episoden aus meinem Podcast hören:

Fazit und Ausblick:

Die Psychedelic Society Hamburg (PSHH) spielt eine zentrale Rolle bei der Aufklärung und Integration von Psychedelika in die Gesellschaft. Nils, Timo und das Team der PSHH setzen sich dafür ein, dass Psychedelika als wertvolle Werkzeuge für persönliche Entwicklung und mentale Gesundheit anerkannt werden. Es wird klar betont, dass der verantwortungsvolle und aufgeklärte Umgang mit Substanzen wichtig ist, um positive Veränderungen zu erzielen.

Im Vergleich zu Alkohol zeigt sich, dass viele der gesellschaftlichen Ängste und Vorurteile gegenüber Psychedelika unbegründet sind. Die positiven Effekte von Psychedelika in der Therapie und der persönlichen Weiterentwicklung werden zunehmend von der Wissenschaft anerkannt, und die Psychedelic Society Hamburg trägt ihren Teil dazu bei, die Stigmatisierung zu überwinden und das therapeutische Potenzial dieser Substanzen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Quellenverzeichnis

[1] https://www.psychedelic-society-hamburg.de

[2] Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (2024): Alkoholkonsum in Deutschland: Zahlen & Fakten. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alkohol.html

[3] Nutt, D.J., King, L.A. und Phillips, L.D. (2010): Drogen-Schäden im Vereinigten Königreich: Eine multikriterielle Entscheidungsanalyse. In: The Lancet, 376(9752), S. 1558–1565. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(10)61462-6